Gleich in der ersten Minute ist es da, das Symbol einer verdorbenen Jugend, die sich nichts mehr sagen lässt, ein Symbol der aufkommenden Subkultur der 60er Jahre und bis heute ein Bikersymbol, das Wehrmachtskreuz. Viel schöner als es jetzt gerade um Peter Fondas Hals baumelt, hat es nur Lemmy Kilmister von Motörhead getragen … warum übrigens das Ö in Motörhead? Weil es einfach gemeiner aussah, deutscher, hat er zumindest einmal in einem Interview gesagt. Zurück zum Film um den es eigentlich geht: „Die wilden Engel”.
Das Wehrmachtskreuz blitzt auf und Peter Fonda tritt den Kickstarter und ein Gurgeln erfüllt jedes Bikerherz und kurz darauf setzt Davie Allan & The Arrows mit „Bongo Party” ein. Erster und letzter Gedanke bis zum Ende des Films: ich bin viel zu spät geboren!
„The Wild Angels” war der erste Film, der Peter Fonda mit Harley-Davidson Motorrädern assoziierte, drei Jahre vor „Easy Rider”, überhaupt war „The Wild Angels” der Beginn der Outlaw Biker Filme. Manche sagen zwar, dass es „Motorpsycho” von Russ Meyer aus dem Jahr 1965 war, aber den schauen wir uns erste nächste Woche an.
In „The Wild Angels” ist Peter Fonda Heavenly Blues, der Anführer der Hells Angels San Pedro, Bruce Dern sein engster Freund Loser. Okay, der Name und auch die Handlung sind jetzt nicht Pulitzer-Niveau, aber sehr bildhaft und deshalb auch schnell erzählt: Losers Motorrad wird gestohlen, die Gang stellt eine rivalisierende mexikanische Rockergang, die Biker streiten, Loser flieht auf einem Polizeimotorrad, die Polizei schießt, Loser kommt ins Spital, Heavenly Blues und die Gang befreien ihn, Loser stirbt auf der Flucht, Rocker-Totenfeier in einer Kirche. Ein normales Wochenende halt. Übrigens überall dabei ist Nancy Sinatra, ja, DIE Nancy Sinatra, sie spielt Fondas Freundin.
Ja, der Film lebt von Stereotypen und Klischees: der Polizist, der vom Balkon des Krankenhauses schießt; an der Clubwand eine Hakenkreuzfahne und darunter sitzen die Outlaws, mit Baby, also einem echten Neugeborenen, nicht das Baby-Baby; stille, nachdenkliche Spaziergänge durch Wind-Strand-Wellen-Landschaften, durch die wieder Nancy Sinatra suchend irrt. Aber was willst du mehr? Es ist halt schon schön: minutenlanges Motorradfahren über amerikanische Berghighways und dazu den Sixties-Sound „Midnight Rider“ von The Hands of Time hören; eine Holzkirche im Nirgendwo, davor zig parkende Harleys und darin einen Peter Fonda in Lederjacke und Sonnenbrille, der dem Prediger entgegenruft: „The Lord never did nothing for the Loser … let me tell you something, mother, … life never let him alone to do whatever he wanted to do … but the Hells Angels … We don’t want nobody telling us what to do … We wanna be free … to ride machines, get loaded and we want a good time and that is what we are gonna do!“ Zack, die Kirche wird auseinander genommen, die Drogen ausgegeben, die Orgie beginnt. Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll at its best!
Wer noch immer nicht überzeugt ist: die Orgienszene dauert 13 Minuten und am Ende fährt Peter Fonda auf seiner 1949er Harley Davidson Panhead Chopper dem Leichenzug voran.
Klischees? 1967 schrieb der Evangelische Pressedienst, auch so ein Klischee, dass der Film nämlich „keine Empfehlung verdient“. Um es mit den Worten von Richard Nixon, John Lennon, Clark Gable, Harry S. Truman und sogar Robert Redford zu sagen: „I don’t give a damn.”
Falls ihr noch passende Musik zum Film-Mood braucht, um euch einzustimmen, hört mal hier rein:
The Hands of Time – “Midnight Rider”: https://www.youtube.com/watch?v=IEKAtasRXCU
Davie Allan & The Arrows – “Devil’s Angels”: https://www.youtube.com/watch?v=MFQMLU3QuCQ
Den ganzen Film seht ihr hier: https://www.youtube.com/watch?v=ukuxbIqjGtg